Dienstag, 10. März 2009

Der Vorteil einer virtuellen Identität.

Zu sein wer man ist und nicht wer man sein soll, ist eines der schwierigsten Unterfangen im Leben eines Menschen. Schon als klein Kind hat man gewisse Erwartungen zu erfüllen. Man wird angefeuert endlich den ersten Schritt zu tun und sprechen zu lernen. Hat man dieses Zwischenziel erreicht soll man stillsitzen und die Klappe halten. Tu dies nicht - mach das so - lass das ! Immer gibt es jemanden, der dir sagt was und wie und wo und überhaupt. Natürlich kann nicht jeder alles machen was er will. Natürlich ist es gut wenn man sich ein wenig anpasst. Und natürlich will man auch niemandem weh tun.

Und doch gibt es manchmal Zeiten, da platzt einfach alles aus einem heraus. Da will man laut in die Welt schreien, Susi ist doof. Michael hat in die Hosen gemacht. Oder: Herr Müller poppt alles was drei nicht auf dem Baum ist und diese doofe Susi kann nicht mal bis drei zählen. Manchmal muß man einfach auf den Pudding hauen. Und das ist natürlich in der virtuellen Welt des WWW wunderbar machbar und erfüllt sogar alle seine Erwartungen....

Ich kann im richtigen Leben zu jedermann freundlich sein und lieb und nachts im Internet die heißesten Pornoseiten anschauen und mich daran erfreuen, daß ich Susi nackig gesehen habe weil der Herr Müller nach dem Poppen auch gleich noch ein kleines Fotoshoting angeschlossen hat. Schließlich ist ja seine Frau zu dumm im Internet irgendwas zu finden, was sie auf die Idee bringen könnte, daß ihr Göttergatte nicht nach der Tischtennistrainingsstunde einkehrt sondern was wegsteckt.....

Ich kann jeden Tag meiner Arbeit im Büro nachgehen und scheißfreundlich zu der blöden Chefsekretärin sein, die sich so aufführt, weil sie den Chef bürstet, und abends anonyme Emails an Abreitskollegen schreiben mit Bildern von den Beiden beim Diktat. Die E-mailadresse von der Frau des Chefs habe ich natürlich auch....

Ich kann Tag ein Tag aus der freundliche Nachbar im kleinen Wohngebiet Ihrer Stadt sein und abends diese anonymen Blogs schreiben und mal mit allen Spießern der Stadt abrechnen und so Sachen schreiben wie:
Wer dies liest ist doof.

Dann fühle ich mich so viel besser und schlafe heute Nacht endlich wieder ruhig. Und morgen reise ich vielleicht wieder mal die Banderolen von den Mülltonnen, denn manchmal ist das Virtuelle nicht real genug und ich muß mir mal was reales einfallen lassen.
Schlaft gut Ihr alle da draußen.